Way North

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Icefield Parkway

Sonntag, 9. Juli 2017

KW 24/17 - Bolivien Südwest

Sucre
Da am Sonntag alle Museen geschlossen waren, besuchen wir das «Museo de Arte Textil Cetur» (Textilmuseum) halt heute. Der Empfang ist sehr freundlich, der Preis fürs Fotografieren wurde uns erlassen und im Eintrittspreis ist ein indigener Guide inklusive. Zurzeit werden Trachten und Werke der «Pujllay» und «Ayarichi» ausgestellt. Eine Erweiterung um drei zusätzliche Volksgruppen ist in Arbeit.
Bei den Trachten sind Schwarz und Rot die dominierenden Farben. Die Kopfbedeckung für
verheiratete und unverheiratete Frauen ist vorgegeben und unterscheidet sich voneinander. Dies findet sich über verschiedene Volksgruppen in ganz Südamerika verteilt. Ganz typisch ist der lederne Hut der Männer, der den Helmen der spanischen Konquistadoren nachempfunden wurde.
Erstaunlich ist, dass bei der einen Volksgruppe die Frauen nur die Farben Schwarz und Rot verweben, während die Herren die mehrfarbigen Decken und Teppiche herstellen. Bei den Webarbeiten ist ein sehr beliebtes und immer wiederkehrendes Motiv der ganze Lebenszyklus, von der Wiege bis zur Bahre. Diese Arbeiten werden von Hand, ohne Vorlage, fortlaufend aus dem Gedächtnis heraus, gefertigt.
Die traditionellen Musikinstrumente sind diverse, aus Holz gefertigte Flöten, Panflöten, Hörner aus Tierhörnern, Trommeln, Pauken und diversen Saiteninstrumenten. Bei den «Pujllay» fallen uns die ganz speziellen Schuhe, sogenannte «Ujuta», besonders auf. Es sind dicke, schwere, geschnürte Holzböden mit riesigen «Espuelas» (sporrenartige Tschinellen) dran. Diese Musikschuhe wiegen rund 10-15 kg. Während der Feste tanzen sie mit diesen unbequemen Dingern tagelang und machen damit Lärm bis die Füsse bluten – verrückte Typen.

Die Ausführungen des Guides und das Video am Schluss der Führung geben einen guten Eindruck in das Leben dieser indigenen Volksgruppen. Wir sind begeistert, wie sich die Leute hier darum bemühen, diese Kultur zu bewahren und auch den interessierten zu präsentieren – super gemacht!


Sucre - Potosí
Zwischen drei und viertausend Meter über Meer, auf einer gut ausgebauten Strasse, fahren wir Richtung Süden. Unterwegs knacken wir die 50'000 km Grenze, seit wir von zu Hause aufgebrochen sind (leider kein Foto). Fahren bis «Potosí» (3976 müM), stellen unseren «Kleinen» im Hinterhof des Hostal «Tarija Camping» ab, spazieren ins Stadtzentrum und machen uns schlau über eine allfällige Minenbesichtigung. Die Auswahl fällt nicht leicht. Von 80-150 Bolivianos wird alles angeboten. Viele kritisieren wie hier abgebaut wird und empfehlen keine Minentour zu machen. Die Sicherheit ist auf jeden Fall ein Thema und wir sind uns bewusst, dass hier jeder für sich selbst zuständig ist. Mit gemischten, Gefühlen buchen wir eine Tour bei «Big Deal», dem einzigen Tour Anbieter der aus Exmineuren besteht und sich bester Kritiken erfreut. Wir sind gespannt auf den nächsten Tag.


An diesem Mittwochmorgen sind wir schon früh in der Stadt, spazieren und fotografieren noch etwas um den Hauptplatz, bevor wir um 09:45 Uhr im Büro der Exmineure auf den Beginn der Führung warten. Die Stimmung ist gelöst, die Führer stellen sich vor, sprechen mehrere Sprachen, lachen und scherzen schon am frühen Morgen – das gefällt uns.
Mit etwas Verspätung, zwei Touristinnen aus Frankreich konnten nicht zeitig hier sein, starten wir und marschieren vorerst quer durch die Stadt zum Bus, der uns zu den Minen hochfährt. Wie wir losfahren wird auch der Chauffeur vorgestellt, Musik gemacht und unterwegs lässt sich unser Guide sogar zu einem Tänzchen verleiten. Die Stimmung ist super.
Wir fahren bis zum Mineuren-Markt, wo uns Willson, unser Guide, in die Gepflogenheiten der Mineure einweiht. Hier kann man alles Wichtige für die schwere Arbeit im Berg kaufen. Angefangen von der täglichen Cocaration, dem Tabak und dem Alkohol für den Tio (Gott der Mineure), den Arbeitsgeräten, Kleider und vor allem auch dem Sprengstoff (Dynamit). Willson kennt sich aus und zeigt keine Furcht vor dem Hochexplosiven, was auch die Kinder aus Spanien, die mit ihrer Familie die Führung mitmachen, beeindruckt. Potosí ist der einzige Ort in Bolivien, wo man mit einer Dynamitstange legal durch die Strassen spazieren kann – Wahnsinn.
Wir decken uns mit Geschenken für die Mineure ein, die wir besuchen gehen. Dies hat sich über Jahre zu einem Brauch entwickelt. Mit einer Dynamitstange auf dem Rücken, Zünder, Zündschnur und Pulver zur Verstärkung der Sprengkraft, sowie einer Tagesration Cocablätter und Fruchtsaft der nach getaner Arbeit den Flüssigkeitsverlust stillen soll, machen wir uns auf den Weg.
Im Lager der Exmineuere, werden wir nach der Neusten Pariser Mode eingekleidet mit Helm, Stirnlampe, Hosen, Jacke, Stiefeln und einem robusten Sack, in dem wir die Geschenke und unsere Fotoapparate oder sonstigen Sachen verstauen können.
Zuerst besuchen wir die Erzaufbereitung. Hier trennen wir die Gruppe in eine spanisch- und englisch geführte Tour. Damit wir mehr mitbekommen wünschten wir uns eine englisch geführte Tour und so kommt es, dass wir mit Willson alleine unterwegs sind. Alle Andern haben sich für Spanisch entschieden.
Zuerst bekommen wir das Roherz zu sehen. Heute wird hier vor allem Zinn, Kupfer, Zink, Blei und Kobalt abgebaut. Silber, dass im 17 Jahrhundert für den Reichtum dieser Gegend gesorgt und die Stadt «Potosí» zum Paris von Südamerika gemacht hat, ist nur noch wenig und in unreiner Form vorhanden. Die Stadt selbst ist verarmt, die Gebäude sind vielerorts Sanierungsbedürftig und auf den Strassen stinken die Busse mit den PW’s um die Wette – schade.
Mit einer Staubmaske bewehrt gehen wir anschliessend durch die Erzaufbereitungsanlagen. Wir
werden ermahnt nichts anzufassen und entsprechende vorsichtig beim Durchqueren der Räumlichkeiten walten zu lassen. Es wird kein Hehl daraus gemacht, wie giftig und ungesund diese Arbeit ist. Unser Guide erzählt, dass die Leute hier nur etwa 45 bis 50 Jahre alt werden und sogar noch jünger sterben wie die Mineuere, die bedingt durch die harte und gefährliche Arbeit in den Stollen und dem Staub beim Abbau, ein ebenso limitiertes Leben vor sich haben. Hier werden die ersten Geschenke (Cocablätter und Fruchtsaft) an die Arbeiter, die gerade Pause machen, abgegeben. Weiter geht es mit dem Bus de«Cerro Rico» (Berg) hoch, bis vor einen Mineneingang. Am Türrahmen und der Aussenwand der Hütte ist getrocknetes Lama Blut zu sehen. Die Mineuere opfern manchmal viele Lamas, bitten um Schutz und Glück für eine bessere Ausbeute (kostspielige Angelegenheit). Jeden Tag arbeiten rund 5000 Mineure aus rund 38 Cooperativas im Berg. In der Nacht sind es noch deren 1000 Personen. Auch rund 500 Kinder werden im Berg beschäftigt – unvorstellbar.
Nach dieser Einleitung geht es in den Berg hinein. Schon am Eingang müssen wir uns bücken, damit wir den niederen Minengang passieren können ohne den Kopf zu stossen. Unterwegs springen wir vor einem Arbeiter mit einer Schubkarre zur Seite. Er macht denselben Weg wie wir, bringt das Erz fast im Viertelstundentakt nach draussen und dies rund 15 Stunden lang – irre!
Alle hier haben Backen wie die Hamster und kauen fortlaufend Cocablätter. Anders wäre diese Arbeit nicht zu bewältigen. Uhren kennen sie keine, dafür haben sie das Coca. Zuerst nimmt man die Cocablätter ohne die Blattstiele in
den Mund. Kaut sie etwa 15 Minuten und beisst dann den Katalysator (Maispaste) ab. Damit aktiviert man die Substanzen im Coca, so dass man länger und härter arbeiten kann. Nach rund vier Stunden lässt die Wirkung nach und es ist Zeit für eine Pause. Nachher geht das Ganze von vorne los.
Wir sind inzwischen weiter in den Berg vorgedrungen und müssen vor einem Schutthaufen halten. Offensichtlich ist hier die Decke eingebrochen und die Arbeiter sind gerade am Aufräumen. Sie brechen loses Gestein heraus, was nicht ungefährlich ist und müssen sich immer wieder vor nachrutschenden Steinen in acht nehmen. Willson spricht mit ihnen, zuerst glauben wir, er will diese Stelle passieren, lässt es dann jedoch bleiben und kehrt um. Wir durchqueren andere Stollen, sehen wie das Eisenerz mit Hand-Winden aus den Schächten hochgezogen wird. Auf Schubkarren umgefüllt und zu Fuss zum Ausgang bugsiert wird. Den einen schenken wir Cocablätter, den Andern Fruchtsaft. Willson führt uns weiter zum Tio, dem Gott der Mineuere. Es gibt zwei Stellen mit einem Tio in diesem Teil der Minen. Jeden ersten Freitag im Monat kommen die Mineure hierher und bitten Tio um eine ausgiebige Ader um Familienglück und dergleichen. Sie schütten 96% Alkohol auf die Erde als Gabe für Pachamama (die Mutter Erde) und spritzen denselben auch als Gabe auf Tio bevor sie selber einen Schluck nehmen. Willson fragt uns nach unseren Kindern. Als wir sagen wir haben drei (zu wenige), meint er wir seien arme Leute und bittet Tio um weitere Kinder für uns verspritzt den reinen Alkohol und lässt die Flasche am Schluss kreisen – Prost!

Während der ganzen Zeremonie hören wir immer wieder Klopfgeräusche. Willson ruft aber niemand antwortet, es ist ihm offensichtlich nicht ganz wohl. Man hört auch immer wieder Sprengungen die durch den Berg hallen, weshalb eine gewisse Vorsicht angezeigt ist.
Wir erfahren viel vom harten Leben unter Tag, von den Sitten und Gebräuchen der Mineure und ihrer Cooperativas. Ein Mineur verdient wesentlich mehr als die Leute in der Stadt, kann jedoch auch jederzeit wegen ungebührlichem Verhalten aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.
Willson fragt ob wir uns einen etwas abenteuerlicheren Weg nach draussen suchen sollen. Wir bejahen und er führt uns durch enge Gänge, wir lassen uns durch schmale Schächte nach unten gleiten, kraxeln über Leitern bis wir wieder am Ausgang sind. Der Berg ist wahrlich ein von Löchern nach allen Seiten durchzogener Emmentaler Käse. Die Frage ist berechtigt wie lange er noch standhalten wird und ob wie von einigen befürchtet, eines Tages der grosse Kollaps kommt und tausende unter sich begräbt.
Draussen treffen wir wieder auf die Anderen, die frühzeitig aus der Mine herausgegangen sind. Für solche Fälle hatten unsere Guides eine dritte Person mitgenommen, so dass jeder nach seinem Gusto soweit gehen konnte wie er ertragen kann. Wir verschenken die letzten Präsente und gemeinsam fahren wir zurück zur Stadt, kleiden uns um und gehen anschliessend wieder getrennte Wege.

Zuerst besuchen wir die alte Münzprägerei im Stadtzentrum und machen eine Führung durch das Historische und gut erhaltenen Gebäude. Die Münzprägeanlagen sind in einem erstaunlich guten Zustand erhalten geblieben und werden auf eindrückliche Weise präsentiert. Leider ist das Fotografieren nur draussen und nicht drinnen in den Räumlichkeiten gestattet.



Morgen ist die Feier «Corpus Christi» angesagt. Zu diesem Anlass werden hier drei verschiedene Gebäcke hergestellt und nur zu dieser Zeit verkauft. Wir fragen uns durch, wo der Markt mit den speziellen Gebäcken stattfindet. Dort angekommen ist das Treiben schon voll im Gang. Beidseitig der Strasse wird dieselbe Ware angeboten. Auf der Strasse drängen, schubsen, stossen die Menschen massenweise vorwärts. Alte wie junge sind zugegen. Touristen wie einheimische versuchen die begehrten Gebäcke, teilweise gleich Sackweise zu ergattern. Wir sind mittendrin und machen mit. Ergattern mal da ein Müsterchen des Gebäcks, mal dort eine ganze Tüte. Die Dinger sind staubig, trocken, zerbröseln wie verrückt oder kleben überall. Ich frage mich wie kann man sich das antun, das grenzt schon fast an Selbstkasteiung. Aber offensichtlich machen alle mit, vielleicht weil es nur einmal im Jahr vorkommt!?

Wir bleiben noch im Stadtzentrum, da eine Aufführung zum Festtag «Corpus Christi» angesagt ist. Dieselbe sollte um sieben Uhr in einer Gasse neben dem Hauptplatz stattfinden. Als wir ankommen steht ein Tischchen da, und zwei drei Leute hantieren an technischen Geräten herum. Bei uns in der Schweiz hätten alle schon eine Krise vor lauter Stress. Hier ist Zeit relativ. Es herrscht keine sonderliche Hektik, auch treffen immer mehr Leute ein, es wird fürs Publikum eine Stuhlung aufgebaut und auch die ersten, in spanische und indigene Trachten gekleideten Laienschauspieler treffen ein. Mit etwa einstündiger Verspätung startet die Aufführung. Der Sprecher begrüsst die Politprominenz, die Vertreter der verschiedenen Intressegruppen und die übrigen Gäste. Erläutert die gespielten Szenen, das flanieren des spanischen Adels während der Blütezeit der Stadt. Die
Bediensteten, die im Namen derselben Geschenke, das heisst die speziellen Gebäcke zur Feier «Corpus Christi» an die befreundeten Adeligen überbringen. Und die Szene wie sie dieselben als Opfergabe darbringen. Parallel dazu wurde den Gästen heisse Schokolade und ebenfalls die speziellen Gebäcke gereicht.
Weiter geht es mit historischen Tanzaufführungen der Adeligen, der indigenen und eines modernen, traditionellen Tanzes durch Girls mit modernen Trachten. Die Atmosphäre in der Gasse ist gut, es passt herrlich ins Stadtbild und wurde lebendig präsentiert. Dementsprechend viele Leute waren anwesend. Leider ist die Nacht sehr kalt und auf Grund des späten Beginns frieren alle ganz gehörig. Als die Veranstalter dann noch umbauen, Leinwand über den Stühlen des Publikums und Stühle auf die andere Seite rücken, nutzen viele Gäste die Gelegenheit um sich zu verdrücken, wir auch. Es ist jetzt definitiv zu kalt und zu langatmig geworden – schade.

Ein ereignisreicher und beeindruckender Tag hat ein gutes Ende gefunden. Müde und glücklich kehren wir wieder zu unserem «Kleinen» zurück. Die Eindrücke des heutigen Tages werden uns noch lange beschäftigen – trotzdem, gute Nacht!


Potosí – Estancia Churata
Lange waren wir uns nicht schlüssig, ob wir noch zur Prozession «Corpus Christi» gehen sollen. Gemäss Aussage der Lokalen, findet dieselbe um elf Uhr statt. Da wir für die Rückverschiffung noch einiges klären müssen, gehen wir in die Stadt, suchen uns eine Beiz mit Internet Anschluss und erledigen das. Rund um den Hauptplatz sind die Schulkinder daran diverse Sägemehlbilder zu gestalten. Alle sind pikfein herausgeputzt, teilweise Boys wie Mädels mit Krawatte. Die Musikgruppe der Armee und der Mädchenschule stehen schon lange bereit, während in allen vier Ecken des Platzes ein Altar aufgebaut wird. Auch heute ist die Zeit relativ und mit viel Verzug startet die Prozession. Sie marschieren über die von den Schulen erstellten Bilder, halten in
jeder Ecke vor dem Altar an und nach der erfolgten Rede marschiert der ganze Tross wieder weiter. Dies ist definitiv nicht unsere Welt. Aber es ist interessant zu sehen, wie sich Tradition und Moderne vermischen. Dass die Jungs und Mädels während der Prozession am Handy hängen versteht sich ja noch, aber dass der ältere Pfarrer oder ältere Männlein und Weiblein keinen Deut besser daherkommt, zeigt doch, dass sich die Traditionen weiterentwickeln. Ob zum Guten oder Schlechten, lassen wir mal bei Seite.

Trotz der späten Stunde, beschliessen wir aufzubrechen und fahren weiter durch die Berge Richtung «Uyuni». Bei schönster Abendstimmung biegen wir zur «Estancia Churata», einem kleinen Kletterparadies ab, wo wir übernachten wollen.
Wir fahren auf den Platz vor den paar Häusern und werden von zwei Jungs neugierig beobachtet. Ich gehe auf sie zu und frage, ob wir hier übernachten können. Sie meinen es sei kein Problem.
Auf der Wiese, wo sich hunderte Lamas tummeln, macht eine Familie Picknick. Wir gehen davon aus, dass dieselben zu den Jungs gehören und hier wohnen. Falsch gedacht, wie sich später herausstellt. Die beiden schlanken Jungs sind alleine hier und hüten rund 300 Lamas. Deren Familien wohnen in einem weit entfernten
Dorf und einmal in der Woche werden sie mit Lebensmitteln versorgt. Sie sind im Gegensatz zu den gut genährten, wohlbehütet, geschniegelt und umsorgten Schülern in Potosí, auf sich selbst gestellt. Wenn sie nicht selber kochen, bleiben sie hungrig.
Auf meinem Handy zeige ich ihnen ein paar Fotos der Schweiz und auch ein paar Tierbilder. Sie saugen alles in sich auf, sind neugierig, fragen und wollen vor allem wissen wieviel das oder jenes kostet (dies ist hier überall sehr verbreitet). Sie fragen ob wir länger bleiben oder Morgen schon abfahren. Wie ich ihnen mitteile, dass wir morgen schon fahren, sind sie ein wenig enttäuscht.
Inzwischen tauchen von überall her weitere Lamas auf. Ich frage sie ob die Lamas alle selber nach Hause kommen und sie meinen ja. Tatsächlich trotten praktisch alle Lamas von selbst in die von Steinmauern umgebenen Ruheplätze hinter den Häusern – interessant. Die Jungs schnappen sich die Fahrräder und gehen noch ein paar Langweiler rein treiben. Inzwischen ist die Sonne hinter den Bergen verschwunden und es wird immer kälter. Ruhe senkt sich über das schöne und friedliche Tal, alle ziehen sich zum Essen zurück und gehen beizeiten schlafen.


Estancia Churata - Uyuni
Früh morgens um sechs stehe ich auf, schaue aus dem WOMO und siehe da, alle Bäche die gestern Nachmittag in der Sonne hier durchgeflossen sind, sind heut Morgen gefroren. Eine weitere Überraschung sind die Lamapferche. Kein einziges Tier ist mehr hier und auch im Umkreis des ganzen Tales zu sehen. Wo sind sie alle hin?
Wir packen unsere Fotoausrüstung, eine Wasserflasche, das Fernglas und machen uns zur Wandertour durch die bizarre Felslandschaft auf. Steigen die Klippen hoch, geniessen den Sonnenaufgang über dem Sackcanon und das Fotografieren bei diesem warmen Licht. Licht und Schatten sind jedoch eine gewaltige Herausforderung und nicht immer einfach zu bewältigen. Während wir über die Krete, um den halben Canon wandern, sehen wir kein einziges Lama im ganzen Umkreis, es ist wie verhext. Auch die Jungs sind nicht mehr aufgetaucht. So fotografieren wir
 die Stein- und Sandwüste, dazwischen die schön beleuchteten Kakteen und weit unten im Tal unseren «Kleinen». Am Ende der Schlucht, steigen wir über eine Sanddüne und anschliessend über Stock und Stein zum Talboden hinunter. Ausser ein paar Vögeln haben wir keine Tiere zu Gesicht bekommen.
Durchgefroren und hungrig, bereiten wir unser Frühstück zu. Geniessen es im warmen WOMO zu sitzen und heissen Kaffee zu trinken. Dann den Abwasch besorgen und weiter geht die Reise.
Leider haben wir die Jungs nicht mehr gesehen. Wir hätten von ihnen gerne Abschied genommen.
Wir fahren zurück auf die Hauptstrasse und als unser «Kleiner» sich den nächsten Hügel hoch kämpft, sehen wir weit hinten in einem anderen Tal die Lamas grasen. Vermutlich sind auch die Jungs bei ihnen, aber diesen Abstecher machen wir nicht, zumal auch keine Zufahrt ersichtlich ist.

Unterwegs passieren wir wunderbar farbige Berge,
Kakteenbewachsene Hügel und Täler. Der Abschnitt durch das «Valle de Cactus» mit seinem Aquädukt ist besonders schön. Hier schiessen wir noch ein paar Fotos mit unserem «Kleinen», als Nachtrag zu unserer 50'000 km Grenzüberschreitung.
Vor «Uyuni» haben wir die Gelegenheit ein paar Chileflamingos in der Abendsonne abzulichten - wunderschöne Vögel. In Südamerika leben drei Flamingoarten, der Anden-, James- und der Chileflamingo, wobei letzterer am häufigsten anzutreffen ist.
Am Eingang zur Stadt heisst es dann erst mal tanken. Seit meiner Panzerfahrerkariere habe ich nicht mehr so viele Benzinkanister geschleppt wie hier. Aber der Aufwand lohnt sich. So tanken wir zum einheimischen Preis und an dieser Tankstelle konnte ich sogar 80 Liter (zweimal Kanister füllen) tanken ohne Probleme. Jetzt sind wir wieder voll bestückt und für weite Fahrten gerüstet.
Wir durchqueren die Staubige und nicht sehr attraktive Stadt auf der Suche
nach einer Bleibe. Beide Hostals die wir ausgespäht haben sind Nieten. Vor der Kaserne wollen wir momentan nicht stehen, zu viel Stadt und so beschliessen wir hinaus zu fahren zum «Cementerio de Trenes» (Zugfriedhof). Die Strasse ist staubig aber die Kulisse im Abendlicht ist einmalig. Hier bleiben wir. Im Hintergrund der Sonnenuntergang über dem Salar und im Vordergrund die Überbleibsel aus längst vergangenen Eisenbahnzeiten – eine wunderbare Kulisse. Mit fortschreitender Dunkelheit tritt ein unglaublicher Sternenhimmel hervor, der in der eisigen Nachtluft besonders schön leuchtet. Halb durchgefroren, mit klammen Fingern betätige ich den Auslöser, man wird fast süchtig und schiesst ein Bild am andern. Aufhören kostet viel Überwindung, aber irgendwann krieche ich dann doch ins geheizte WOMO und in den warmen Schlafsack.



Schon wieder Wochenende. Es ist viel los in der Stadt. Wir machen Besorgungen und informieren uns über eine Tour über den grössten Salzsee der Erde. Die Südroute mit den Lagunen wird zurzeit nicht angefahren. Mehrere Tage haben Schneestürme gewütet. Es herrschen eisige Temperaturen und über einen Meter Schnee. Die Touranbieter fahren momentan nicht dorthin und von mehreren Overlandern haben wir gehört, dass sie evakuiert und herausgeschleppt werden mussten. Unserem
Kleinen wollen wir die Salzwüste nicht antun und so buchen wir einen Tagestripp bei «Andes Salt Tour». Wie wir aus dem Büro treten, begegnen wir Thomas und Lea.

Sie sind gerade von einer Dreitagestour zurückgekehrt und haben unser Thurgauer Schild bemerkt. Innert Kürze entwickelt sich ein angeregtes Gespräch, dass wir bei einem Bierchen im Sonnenbeschienenen Gartenrestaurant fortsetzten. Thomas ist seit zwei Jahren per Autostopp unterwegs und Lea ist später dazu gekommen. Thomas schreibt wöchentliche Reports für die Aargauer-, Soloturnerzeitung und im Internet für watson.ch. So finanziert er sich einen Teil der Reise. Leider geht der gemütliche Nachmittag viel zu schnell vorbei und unsere Wege trennen sich wieder. Sie gehen zurück zu ihrem Hostal und wir wieder in die Wüste zum «Cementerio de Trenes».


Am Sonntagmorgen früh, stehen wir vor dem Büro der «Andes Salt Tour» bereit. Ausgerüstet mit Wasser, Sonnenschutz (Hut, Sonnenbrille, Sonnencreme) und ein paar Utensilien zum Fotografieren. Wir haben viele Räubergeschichten über die Fahrer der Touranbieter gehört. Unser Fahrer scheint jedoch ein sehr seriöser Typ zu sein. Er fährt zügig aber besonnen, legt die Beatles CD ein und in guter Stimmung fahren wir via «Colchani» einem Dörfchen in dem die Häuser aus Salzziegeln gebaut sind, auf den Salzsee hinaus. Kurz nach der Einfahrt halten wir vor einem «Ojo» (Auge). Dies sind
Wasserlöcher, an denen das Grundwasser an die Oberfläche sprudelt wie bei einer Quelle. Der Salzsee selber ist rund 140m dick oder tief, wie man’s nimmt. Heikel ist vor allem die Randzone, da die Salzschicht durchbrochen und mit Wasser gefüllt ist. Es besteht wie beim Eis die Gefahr einzubrechen. Solange der Salzsee wie jetzt trocken ist, sind solche stellen gut sichtbar. Kritisch wird es dann, wenn auf dem Salzsee Wasser lieg, dann können die kritischen Stellen kaum ausgemacht werden. Aber dann kann man auch tolle Bilder schiessen, wie wir gesehen haben.
Wir fahren mehrere Kilometer über die grelle und unendlich weite Fläche bis zum Dorf am Fusse des Vulkans «Tunupa». Hier machen wir Rast bevor wir ein Stück den Hügel hochfahren, die
Aussicht geniessen und Anschliessend die Grabhöhlen der Ureinwohner, der «Chullpa’s», besuchen. Dieses Volk glaubte an die Wiedergeburt und hat deshalb alle in der Fötenstellung und mit genügend Beigaben für die erste Zeit nach der Wiedergeburt, bestattet. Die Höhenlage und die Salzhaltige Atmosphäre haben die Toten mumifiziert und sie sind über rund 800 Jahre erstaunlich gut erhalten geblieben.  Selbst die Ornamente auf den Textilien, sind teilweise noch sichtbar. Leider wurden auch hier viele Grabstellen zerstört.

Von hier aus geht es wieder auf den Salar hinaus. Wir fahren bis zur «Isla Incahuasi», dem Herz des Salars und einem Touristenmagnet.
Hier wachsen rund 6000 Kakteen die teilweise schon uralt sind.











Auf diesem Felsen feiern die «Aymara» am 21. Juni ihr Neujahr. Es soll heftig gefeiert werden und natürlich werden auch genügend Touristen zu gegen sein.
Von hier aus geht es wieder zurück, mit Zwischenstopp für ein paar tolle Fotos.

Bei der Besichtigung des Salzhotels und der Salzstatue treffen wir wieder auf den VW-Bulli, den wir schon auf dem Salar gesehen haben. Wir sprechen die Leute an und zeigen Bilder unseres «Kleinen». Sie sind sofort begeistert. Es ist eine fünfköpfige Rumänische Familie, mit Golden Retriver und schwarzer Katze, die den Bus in Lima gekauft hat und seit rund zwei Jahren umherreist – Sachen gibt’s. Wir schiessen noch ein Foto und verabschieden uns mit den besten Reisewünschen.


Wie wir wieder in Uyuni zurück sind, ist es bereits dunkel. Unser «Kleiner» steht noch unversehrt vor dem Büro des Touranbieters, so dass wir gleich einsteigen und diesmal nur bis zum Platz vor der Kaserne fahren müssen. Hier werden wir heute übernachten. Es parken bereits vier Wohnmobile hier. Zwei Belgier, ein Franzose und Deutsches Paar mit einem Camper aus Chile.
Die deutschen kommen mit ihrem Hund gerade vom Spaziergang zurück, sehen unser WOMO und sprechen uns an. Es sind Roman, Nicole und die französische Bulldogge Abby. Wie es kalt wird, sitzen wir in unserem geheizten Raumwunder zusammen und trinken noch einen Schlumi.
Nicole sieht die Sternenbilder und will unbedingt noch Nachtaufnahmen machen, aber ihre Kamera lässt dies nicht zu. Roman und ich schauen uns das Ding genauer an, irgendwie sollte dies doch möglich sein. Wir finden tatsächlich eine neue Einstellung, die neue Möglichkeiten eröffnet. Vorerst bleiben wir hier, aber mal sehen wie es weitergeht.



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