Sucre
Da am Sonntag alle Museen geschlossen waren, besuchen wir
das «Museo de Arte Textil Cetur» (Textilmuseum) halt heute. Der Empfang ist
sehr freundlich, der Preis fürs Fotografieren wurde uns erlassen und im
Eintrittspreis ist ein indigener Guide inklusive. Zurzeit werden Trachten und
Werke der «Pujllay» und «Ayarichi» ausgestellt. Eine Erweiterung um drei
zusätzliche Volksgruppen ist in Arbeit.
Bei den Trachten sind Schwarz und Rot die dominierenden
Farben. Die Kopfbedeckung für
verheiratete und unverheiratete Frauen ist
vorgegeben und unterscheidet sich voneinander. Dies findet sich über
verschiedene Volksgruppen in ganz Südamerika verteilt. Ganz typisch ist der
lederne Hut der Männer, der den Helmen der spanischen Konquistadoren
nachempfunden wurde.
Erstaunlich ist, dass bei der einen Volksgruppe die Frauen
nur die Farben Schwarz und Rot verweben, während die Herren die mehrfarbigen
Decken und Teppiche herstellen. Bei den Webarbeiten ist ein sehr beliebtes und
immer wiederkehrendes Motiv der ganze Lebenszyklus, von der Wiege bis zur Bahre.
Diese Arbeiten werden von Hand, ohne Vorlage, fortlaufend aus dem Gedächtnis
heraus, gefertigt.
Die traditionellen Musikinstrumente sind diverse, aus Holz
gefertigte Flöten, Panflöten, Hörner aus Tierhörnern, Trommeln, Pauken und
diversen Saiteninstrumenten. Bei den «Pujllay» fallen uns die ganz speziellen
Schuhe, sogenannte «Ujuta», besonders auf. Es sind dicke, schwere, geschnürte
Holzböden mit riesigen «Espuelas» (sporrenartige Tschinellen) dran. Diese
Musikschuhe wiegen rund 10-15 kg. Während der Feste tanzen sie mit diesen
unbequemen Dingern tagelang und machen damit Lärm bis die Füsse bluten –
verrückte Typen.
Die Ausführungen des Guides und das Video am Schluss der
Führung geben einen guten Eindruck in das Leben dieser indigenen Volksgruppen.
Wir sind begeistert, wie sich die Leute hier darum bemühen, diese Kultur zu
bewahren und auch den interessierten zu präsentieren – super gemacht!
Sucre - Potosí
Zwischen drei und viertausend Meter über Meer, auf einer gut
ausgebauten Strasse, fahren wir Richtung Süden. Unterwegs knacken wir die
50'000 km Grenze, seit wir von zu Hause aufgebrochen sind (leider kein Foto).
Fahren bis «Potosí» (3976 müM), stellen unseren «Kleinen» im Hinterhof des
Hostal «Tarija Camping» ab, spazieren ins Stadtzentrum und machen uns schlau
über eine allfällige Minenbesichtigung. Die Auswahl fällt nicht leicht. Von
80-150 Bolivianos wird alles angeboten. Viele kritisieren wie hier abgebaut
wird und empfehlen keine Minentour zu machen. Die Sicherheit ist auf jeden Fall
ein Thema und wir sind uns bewusst, dass hier jeder für sich selbst zuständig
ist. Mit gemischten, Gefühlen buchen wir eine Tour bei «Big Deal», dem einzigen
Tour Anbieter der aus Exmineuren besteht und sich bester Kritiken erfreut. Wir
sind gespannt auf den nächsten Tag.
An diesem Mittwochmorgen sind wir schon früh in der Stadt,
spazieren und fotografieren noch etwas um den Hauptplatz, bevor wir um 09:45
Uhr im Büro der Exmineure auf den Beginn der Führung warten. Die Stimmung ist
gelöst, die Führer stellen sich vor, sprechen mehrere Sprachen, lachen und
scherzen schon am frühen Morgen – das gefällt uns.
Mit etwas Verspätung, zwei Touristinnen aus Frankreich
konnten nicht zeitig hier sein, starten wir und marschieren vorerst quer durch
die Stadt zum Bus, der uns zu den Minen hochfährt. Wie wir losfahren wird auch
der Chauffeur vorgestellt, Musik gemacht und unterwegs lässt sich unser Guide
sogar zu einem Tänzchen verleiten. Die Stimmung ist super.
Wir fahren bis zum Mineuren-Markt, wo uns Willson, unser
Guide, in die Gepflogenheiten der Mineure einweiht. Hier kann man alles
Wichtige für die schwere Arbeit im Berg kaufen. Angefangen von der täglichen Cocaration,
dem Tabak und dem Alkohol für den Tio (Gott der Mineure), den Arbeitsgeräten,
Kleider und vor allem auch dem Sprengstoff (Dynamit). Willson kennt sich aus
und zeigt keine Furcht vor dem Hochexplosiven, was auch die Kinder aus Spanien,
die mit ihrer Familie die Führung mitmachen, beeindruckt. Potosí ist der
einzige Ort in Bolivien, wo man mit einer Dynamitstange legal durch die
Strassen spazieren kann – Wahnsinn.
Wir decken uns mit Geschenken für die Mineure ein, die wir
besuchen gehen. Dies hat sich über Jahre zu einem Brauch entwickelt. Mit einer
Dynamitstange auf dem Rücken, Zünder, Zündschnur und Pulver zur Verstärkung der
Sprengkraft, sowie einer Tagesration Cocablätter und Fruchtsaft der nach getaner
Arbeit den Flüssigkeitsverlust stillen soll, machen wir uns auf den Weg.
Im Lager der Exmineuere, werden wir nach der Neusten Pariser
Mode eingekleidet mit Helm, Stirnlampe, Hosen, Jacke, Stiefeln und einem
robusten Sack, in dem wir die Geschenke und unsere Fotoapparate oder sonstigen
Sachen verstauen können.
Zuerst besuchen wir die Erzaufbereitung. Hier trennen wir
die Gruppe in eine spanisch- und englisch geführte Tour. Damit wir mehr
mitbekommen wünschten wir uns eine englisch geführte Tour und so kommt es, dass
wir mit Willson alleine unterwegs sind. Alle Andern haben sich für Spanisch
entschieden.
Zuerst bekommen wir das Roherz zu sehen. Heute wird hier vor
allem Zinn, Kupfer, Zink, Blei und Kobalt abgebaut. Silber, dass im 17
Jahrhundert für den Reichtum dieser Gegend gesorgt und die Stadt «Potosí» zum
Paris von Südamerika gemacht hat, ist nur noch wenig und in unreiner Form
vorhanden. Die Stadt selbst ist verarmt, die Gebäude sind vielerorts
Sanierungsbedürftig und auf den Strassen stinken die Busse mit den PW’s um die
Wette – schade.
Mit einer Staubmaske bewehrt gehen wir anschliessend durch
die Erzaufbereitungsanlagen. Wir
werden ermahnt nichts anzufassen und
entsprechende vorsichtig beim Durchqueren der Räumlichkeiten walten zu lassen.
Es wird kein Hehl daraus gemacht, wie giftig und ungesund diese Arbeit ist.
Unser Guide erzählt, dass die Leute hier nur etwa 45 bis 50 Jahre alt werden
und sogar noch jünger sterben wie die Mineuere, die bedingt durch die harte und
gefährliche Arbeit in den Stollen und dem Staub beim Abbau, ein ebenso
limitiertes Leben vor sich haben. Hier werden die ersten Geschenke (Cocablätter und
Fruchtsaft) an die Arbeiter, die gerade Pause machen, abgegeben. Weiter geht es
mit dem Bus de
n «Cerro
Rico» (Berg) hoch, bis vor einen Mineneingang. Am Türrahmen und der
Aussenwand der Hütte ist getrocknetes Lama Blut zu sehen. Die Mineuere opfern
manchmal viele Lamas, bitten um Schutz und Glück für eine bessere Ausbeute
(kostspielige Angelegenheit). Jeden Tag arbeiten rund 5000 Mineure aus rund 38
Cooperativas im Berg. In der Nacht sind es noch deren 1000 Personen. Auch rund
500 Kinder werden im Berg beschäftigt – unvorstellbar.
Nach dieser Einleitung geht es in den Berg hinein. Schon am
Eingang müssen wir uns bücken, damit wir den niederen Minengang passieren
können ohne den Kopf zu stossen. Unterwegs springen wir vor einem Arbeiter mit
einer Schubkarre zur Seite. Er macht denselben Weg wie wir, bringt das Erz fast
im Viertelstundentakt nach draussen und dies rund 15 Stunden lang – irre!
Alle hier haben Backen wie die Hamster und kauen fortlaufend
Cocablätter. Anders wäre diese Arbeit nicht zu bewältigen. Uhren kennen sie
keine, dafür haben sie das Coca. Zuerst nimmt man die Cocablätter ohne die
Blattstiele in
den Mund. Kaut sie etwa 15 Minuten und beisst dann den
Katalysator (Maispaste) ab. Damit aktiviert man die Substanzen im Coca, so dass
man länger und härter arbeiten kann. Nach rund vier Stunden lässt die Wirkung
nach und es ist Zeit für eine Pause. Nachher geht das Ganze von vorne los.
Wir
sind inzwischen weiter in den Berg vorgedrungen und müssen vor einem
Schutthaufen halten. Offensichtlich ist hier die Decke eingebrochen und die
Arbeiter sind gerade am Aufräumen. Sie brechen loses Gestein heraus, was nicht
ungefährlich ist und müssen sich immer wieder vor nachrutschenden Steinen in
acht nehmen. Willson spricht mit ihnen, zuerst glauben wir, er will diese Stelle
passieren, lässt es dann jedoch bleiben und kehrt um. Wir durchqueren andere
Stollen, sehen wie das Eisenerz mit Hand-Winden aus den Schächten hochgezogen
wird. Auf Schubkarren umgefüllt und zu Fuss zum Ausgang bugsiert wird. Den
einen schenken wir Cocablätter, den Andern Fruchtsaft. Willson führt uns weiter
zum Tio, dem Gott der Mineuere. Es gibt zwei Stellen mit einem Tio in diesem
Teil der Minen. Jeden ersten Freitag im Monat kommen die Mineure hierher und
bitten Tio um eine ausgiebige Ader um Familienglück und dergleichen. Sie
schütten 96% Alkohol auf die Erde als Gabe für Pachamama (die Mutter Erde) und
spritzen denselben auch als Gabe auf Tio bevor sie selber einen Schluck nehmen.
Willson fragt uns nach unseren Kindern. Als wir sagen wir haben drei (zu
wenige), meint er wir seien arme Leute und bittet Tio um weitere Kinder für uns
verspritzt den reinen Alkohol und lässt die Flasche am Schluss kreisen – Prost!
Während der ganzen Zeremonie hören wir immer wieder
Klopfgeräusche. Willson ruft aber niemand antwortet, es ist ihm offensichtlich
nicht ganz wohl. Man hört auch immer wieder Sprengungen die durch den Berg
hallen, weshalb eine gewisse Vorsicht angezeigt ist.
Wir erfahren viel vom harten Leben unter Tag, von den Sitten
und Gebräuchen der Mineure und ihrer Cooperativas. Ein Mineur verdient
wesentlich mehr als die Leute in der Stadt, kann jedoch auch jederzeit wegen
ungebührlichem Verhalten aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.
Willson fragt ob wir uns einen etwas abenteuerlicheren Weg
nach draussen suchen sollen. Wir bejahen und er führt uns durch enge Gänge, wir
lassen uns durch schmale Schächte nach unten gleiten, kraxeln über Leitern bis
wir wieder am Ausgang sind. Der Berg ist wahrlich ein von Löchern nach allen
Seiten durchzogener Emmentaler Käse. Die Frage ist berechtigt wie lange er noch
standhalten wird und ob wie von einigen befürchtet, eines Tages der grosse
Kollaps kommt und tausende unter sich begräbt.
Draussen treffen wir wieder auf die Anderen, die frühzeitig
aus der Mine herausgegangen sind. Für solche Fälle hatten unsere Guides eine
dritte Person mitgenommen, so dass jeder nach seinem Gusto soweit gehen konnte
wie er ertragen kann. Wir verschenken die letzten Präsente und gemeinsam fahren
wir zurück zur Stadt, kleiden uns um und gehen anschliessend wieder getrennte
Wege.
Zuerst besuchen wir die alte Münzprägerei im Stadtzentrum
und machen eine Führung durch das Historische und gut erhaltenen Gebäude. Die
Münzprägeanlagen sind in einem erstaunlich guten Zustand erhalten geblieben und
werden auf eindrückliche Weise präsentiert. Leider ist das Fotografieren nur
draussen und nicht drinnen in den Räumlichkeiten gestattet.
Morgen ist die Feier «Corpus Christi» angesagt. Zu diesem
Anlass werden hier drei verschiedene Gebäcke hergestellt und nur zu dieser Zeit
verkauft. Wir fragen uns durch, wo der Markt mit den speziellen Gebäcken
stattfindet. Dort angekommen ist das Treiben schon voll im Gang. Beidseitig der
Strasse wird dieselbe Ware angeboten. Auf der Strasse drängen, schubsen,
stossen die Menschen massenweise vorwärts. Alte wie junge sind zugegen.
Touristen wie einheimische versuchen die begehrten Gebäcke, teilweise gleich
Sackweise zu ergattern. Wir sind mittendrin und machen mit. Ergattern mal da
ein Müsterchen des Gebäcks, mal dort eine ganze Tüte. Die Dinger sind staubig,
trocken, zerbröseln wie verrückt oder kleben überall. Ich frage mich wie kann
man sich das antun, das grenzt schon fast an Selbstkasteiung. Aber
offensichtlich machen alle mit, vielleicht weil es nur einmal im Jahr
vorkommt!?
Wir bleiben noch im Stadtzentrum, da eine Aufführung zum
Festtag «Corpus Christi» angesagt ist. Dieselbe sollte um sieben Uhr in einer
Gasse neben dem Hauptplatz stattfinden. Als wir ankommen steht ein Tischchen
da, und zwei drei Leute hantieren an technischen Geräten herum. Bei uns in der
Schweiz hätten alle schon eine Krise vor lauter Stress. Hier ist Zeit relativ.
Es herrscht keine sonderliche Hektik, auch treffen immer mehr Leute ein, es
wird fürs Publikum eine Stuhlung aufgebaut und auch die ersten, in spanische
und indigene Trachten gekleideten Laienschauspieler treffen ein. Mit etwa
einstündiger Verspätung startet die Aufführung. Der Sprecher begrüsst die
Politprominenz, die Vertreter der verschiedenen Intressegruppen und die
übrigen Gäste. Erläutert die gespielten Szenen, das flanieren des spanischen
Adels während der Blütezeit der Stadt. Die
Bediensteten, die im Namen derselben
Geschenke, das heisst die speziellen Gebäcke zur Feier «Corpus Christi» an die
befreundeten Adeligen überbringen. Und die Szene wie sie dieselben als
Opfergabe darbringen. Parallel dazu wurde den Gästen heisse Schokolade und
ebenfalls die speziellen Gebäcke gereicht.
Weiter geht es mit historischen Tanzaufführungen der
Adeligen, der indigenen und eines modernen, traditionellen Tanzes durch Girls
mit modernen Trachten. Die Atmosphäre in der Gasse ist gut, es passt herrlich
ins Stadtbild und wurde lebendig präsentiert. Dementsprechend viele Leute waren
anwesend. Leider ist die Nacht sehr kalt und auf Grund des späten Beginns
frieren alle ganz gehörig. Als die Veranstalter dann noch umbauen, Leinwand
über den Stühlen des Publikums und Stühle auf die andere Seite rücken, nutzen
viele Gäste die Gelegenheit um sich zu verdrücken, wir auch. Es ist
jetzt
definitiv zu kalt und zu langatmig geworden – schade.
Ein ereignisreicher und beeindruckender Tag hat
ein gutes Ende gefunden. Müde und glücklich kehren wir wieder zu unserem
«Kleinen» zurück. Die Eindrücke des heutigen Tages werden uns noch lange beschäftigen
– trotzdem, gute Nacht!
Potosí – Estancia Churata
Lange waren wir uns nicht schlüssig, ob wir noch zur Prozession «Corpus Christi» gehen sollen. Gemäss Aussage der Lokalen, findet dieselbe um
elf Uhr statt. Da wir für die Rückverschiffung noch einiges klären müssen,
gehen wir in die Stadt, suchen uns eine Beiz mit Internet Anschluss und
erledigen das. Rund um den Hauptplatz sind die Schulkinder daran diverse Sägemehlbilder
zu gestalten. Alle sind pikfein herausgeputzt, teilweise Boys wie Mädels mit Krawatte.
Die Musikgruppe der Armee und der Mädchenschule stehen schon lange bereit,
während in allen vier Ecken des Platzes ein Altar aufgebaut wird. Auch heute
ist die Zeit relativ und mit viel Verzug startet die Prozession. Sie
marschieren über die von den Schulen erstellten Bilder, halten in
jeder Ecke
vor dem Altar an und nach der erfolgten Rede marschiert der ganze Tross wieder
weiter. Dies ist definitiv nicht unsere Welt. Aber es ist interessant zu sehen,
wie sich Tradition und Moderne vermischen. Dass die Jungs und Mädels während
der Prozession am Handy hängen versteht sich ja noch, aber dass der ältere
Pfarrer oder ältere Männlein und Weiblein keinen Deut besser daherkommt, zeigt
doch, dass sich die Traditionen weiterentwickeln. Ob zum Guten oder Schlechten,
lassen wir mal bei Seite.
Trotz der späten Stunde, beschliessen wir aufzubrechen und
fahren weiter durch die Berge Richtung «Uyuni». Bei schönster Abendstimmung
biegen wir zur «Estancia Churata», einem kleinen Kletterparadies ab, wo wir
übernachten wollen.
Wir fahren auf den Platz vor den paar Häusern und werden von
zwei Jungs neugierig beobachtet. Ich gehe auf sie zu und frage, ob wir hier
übernachten können. Sie meinen es sei kein Problem.
Auf der Wiese, wo sich hunderte Lamas tummeln, macht eine
Familie Picknick. Wir gehen davon aus, dass dieselben zu den Jungs gehören und
hier wohnen. Falsch gedacht, wie sich später herausstellt. Die beiden schlanken
Jungs sind alleine hier und hüten rund 300 Lamas. Deren Familien wohnen in
einem weit entfernten
Dorf und einmal in der Woche werden sie mit Lebensmitteln
versorgt. Sie sind im Gegensatz zu den gut genährten, wohlbehütet, geschniegelt
und umsorgten Schülern in Potosí, auf sich selbst gestellt. Wenn sie nicht
selber kochen, bleiben sie hungrig.
Auf meinem Handy zeige ich ihnen ein paar Fotos der Schweiz
und auch ein paar Tierbilder. Sie saugen alles in sich auf, sind neugierig,
fragen und wollen vor allem wissen wieviel das oder jenes kostet (dies ist hier
überall sehr verbreitet). Sie fragen ob wir länger bleiben oder Morgen schon
abfahren. Wie ich ihnen mitteile, dass wir morgen schon fahren, sind sie ein
wenig enttäuscht.
Inzwischen tauchen von überall her weitere Lamas auf. Ich
frage sie ob die Lamas alle selber nach Hause kommen und sie meinen ja.
Tatsächlich trotten praktisch alle Lamas von selbst in die von Steinmauern
umgebenen Ruheplätze hinter den Häusern – interessant. Die Jungs schnappen sich
die Fahrräder und gehen noch ein paar Langweiler rein treiben. Inzwischen ist
die Sonne hinter den Bergen verschwunden und es wird immer kälter. Ruhe senkt
sich über das schöne und friedliche Tal, alle ziehen sich zum Essen zurück und
gehen beizeiten schlafen.
Estancia Churata - Uyuni
Früh morgens um sechs stehe ich auf, schaue aus dem WOMO und
siehe da, alle Bäche die gestern Nachmittag in der Sonne hier durchgeflossen
sind, sind heut Morgen gefroren. Eine weitere Überraschung sind die
Lamapferche. Kein einziges Tier ist mehr hier und auch im Umkreis des ganzen
Tales zu sehen. Wo sind sie alle hin?
Wir packen unsere Fotoausrüstung, eine Wasserflasche, das
Fernglas und machen uns zur Wandertour durch die bizarre Felslandschaft auf.
Steigen die Klippen hoch, geniessen den Sonnenaufgang über dem Sackcanon und
das Fotografieren bei diesem warmen Licht. Licht und Schatten sind jedoch eine
gewaltige Herausforderung und nicht immer einfach zu bewältigen. Während wir über
die Krete, um den halben Canon wandern, sehen wir kein einziges Lama im ganzen
Umkreis, es ist wie verhext. Auch die Jungs sind nicht mehr aufgetaucht. So
fotografieren wir
die Stein- und Sandwüste, dazwischen die schön beleuchteten
Kakteen und weit unten im Tal unseren «Kleinen». Am Ende der Schlucht, steigen
wir über eine Sanddüne und anschliessend über Stock und Stein zum Talboden
hinunter. Ausser ein paar Vögeln haben wir keine Tiere zu Gesicht bekommen.
Durchgefroren und hungrig, bereiten wir unser Frühstück zu.
Geniessen es im warmen WOMO zu sitzen und heissen Kaffee zu trinken. Dann den
Abwasch besorgen und weiter geht die Reise.
Leider haben wir die Jungs nicht mehr gesehen. Wir hätten
von ihnen gerne Abschied genommen.
Wir fahren zurück auf die Hauptstrasse und als unser
«Kleiner» sich den nächsten Hügel hoch kämpft, sehen wir weit hinten in einem
anderen Tal die Lamas grasen. Vermutlich sind auch die Jungs bei ihnen, aber
diesen Abstecher machen wir nicht, zumal auch keine Zufahrt ersichtlich ist.
Unterwegs passieren wir wunderbar farbige Berge,
Kakteenbewachsene Hügel und Täler. Der Abschnitt durch das «Valle de Cactus»
mit seinem Aquädukt ist besonders schön. Hier schiessen wir noch ein paar Fotos
mit unserem «Kleinen», als Nachtrag zu unserer 50'000 km Grenzüberschreitung.
Vor «Uyuni» haben wir die Gelegenheit ein paar Chileflamingos
in der Abendsonne abzulichten - wunderschöne Vögel. In Südamerika leben drei
Flamingoarten, der Anden-, James- und der Chileflamingo, wobei letzterer am
häufigsten anzutreffen ist.
Am Eingang zur Stadt heisst es dann erst mal tanken. Seit
meiner Panzerfahrerkariere habe ich nicht mehr so viele Benzinkanister
geschleppt wie hier. Aber der Aufwand lohnt sich. So tanken wir zum
einheimischen Preis und an dieser Tankstelle konnte ich sogar 80 Liter (zweimal
Kanister füllen) tanken ohne Probleme. Jetzt sind wir wieder voll bestückt und
für weite Fahrten gerüstet.
Wir durchqueren die Staubige und nicht sehr attraktive Stadt
auf der Suche
nach einer Bleibe. Beide Hostals die wir ausgespäht haben sind
Nieten. Vor der Kaserne wollen wir momentan nicht stehen, zu viel Stadt und so
beschliessen wir hinaus zu fahren zum «Cementerio de Trenes» (Zugfriedhof). Die
Strasse ist staubig aber die Kulisse im Abendlicht ist einmalig. Hier bleiben
wir. Im Hintergrund der Sonnenuntergang über dem Salar und im Vordergrund die
Überbleibsel aus längst vergangenen Eisenbahnzeiten – eine wunderbare Kulisse.
Mit fortschreitender Dunkelheit tritt ein unglaublicher Sternenhimmel hervor,
der in der eisigen Nachtluft besonders schön leuchtet. Halb durchgefroren, mit
klammen Fingern betätige ich den Auslöser, man wird fast süchtig und schiesst
ein Bild am andern. Aufhören kostet viel Überwindung, aber irgendwann krieche
ich dann doch ins geheizte WOMO und in den warmen Schlafsack.
Schon wieder Wochenende. Es ist viel los in der Stadt. Wir
machen Besorgungen und informieren uns über eine Tour über den grössten Salzsee
der Erde. Die Südroute mit den Lagunen wird zurzeit nicht angefahren. Mehrere
Tage haben Schneestürme gewütet. Es herrschen eisige Temperaturen und über
einen Meter Schnee. Die Touranbieter fahren momentan nicht dorthin und von
mehreren Overlandern haben wir gehört, dass sie evakuiert und herausgeschleppt
werden mussten. Unserem
Kleinen wollen wir die Salzwüste nicht antun und so
buchen wir einen Tagestripp bei «Andes Salt Tour». Wie wir aus dem Büro treten,
begegnen wir Thomas und Lea.
Sie sind gerade von einer Dreitagestour
zurückgekehrt und haben unser Thurgauer Schild bemerkt. Innert Kürze entwickelt
sich ein angeregtes Gespräch, dass wir bei einem Bierchen im Sonnenbeschienenen
Gartenrestaurant fortsetzten. Thomas ist seit zwei Jahren per Autostopp
unterwegs und Lea ist später dazu gekommen. Thomas schreibt wöchentliche
Reports für die Aargauer-, Soloturnerzeitung und im Internet für watson.ch. So
finanziert er sich einen Teil der Reise. Leider geht der gemütliche Nachmittag
viel zu schnell vorbei und unsere Wege trennen sich wieder. Sie gehen zurück zu
ihrem Hostal und wir wieder in die Wüste zum «Cementerio de Trenes».
Am Sonntagmorgen früh, stehen wir vor dem Büro der «Andes
Salt Tour» bereit. Ausgerüstet mit Wasser, Sonnenschutz (Hut, Sonnenbrille, Sonnencreme)
und ein paar Utensilien zum Fotografieren. Wir haben viele Räubergeschichten
über die Fahrer der Touranbieter gehört. Unser Fahrer scheint jedoch ein sehr
seriöser Typ zu sein. Er fährt zügig aber besonnen, legt die Beatles CD ein und
in guter Stimmung fahren wir via «Colchani» einem Dörfchen in dem die Häuser
aus Salzziegeln gebaut sind, auf den Salzsee hinaus. Kurz nach der Einfahrt
halten wir vor einem «Ojo» (Auge). Dies sind
Wasserlöcher, an denen das
Grundwasser an die Oberfläche sprudelt wie bei einer Quelle. Der Salzsee selber
ist rund 140m dick oder tief, wie man’s nimmt. Heikel ist vor allem die
Randzone, da die Salzschicht durchbrochen und mit Wasser gefüllt ist. Es
besteht wie beim Eis die Gefahr einzubrechen. Solange der Salzsee wie jetzt
trocken ist, sind solche stellen gut sichtbar. Kritisch wird es dann, wenn auf
dem Salzsee Wasser lieg, dann können die kritischen Stellen kaum ausgemacht
werden. Aber dann kann man auch tolle Bilder schiessen, wie wir gesehen haben.
Wir fahren mehrere Kilometer über die grelle und unendlich
weite Fläche bis zum Dorf am Fusse des Vulkans «Tunupa». Hier machen wir Rast
bevor wir ein Stück den Hügel hochfahren, die
Aussicht geniessen und
Anschliessend die Grabhöhlen der Ureinwohner, der «Chullpa’s», besuchen. Dieses
Volk glaubte an die Wiedergeburt und hat deshalb alle in der Fötenstellung und
mit genügend Beigaben für die erste Zeit nach der Wiedergeburt, bestattet. Die
Höhenlage und die Salzhaltige Atmosphäre haben die Toten mumifiziert und sie
sind über rund 800 Jahre erstaunlich gut erhalten geblieben. Selbst die Ornamente auf den Textilien, sind
teilweise noch sichtbar. Leider wurden auch hier viele Grabstellen zerstört.
Von hier aus geht es wieder auf den Salar hinaus. Wir fahren
bis zur «Isla Incahuasi», dem Herz des Salars und einem Touristenmagnet.
Hier
wachsen rund 6000 Kakteen die teilweise schon uralt sind.
Auf diesem Felsen
feiern die «Aymara» am 21. Juni ihr Neujahr. Es soll heftig gefeiert werden und
natürlich werden auch genügend Touristen zu gegen sein.
Von hier aus geht es wieder zurück, mit Zwischenstopp für
ein paar tolle Fotos.
Bei der Besichtigung des Salzhotels und der Salzstatue treffen wir wieder auf den VW-Bulli, den wir schon auf dem Salar gesehen
haben. Wir sprechen die Leute an und zeigen Bilder unseres «Kleinen». Sie sind sofort
begeistert. Es ist eine fünfköpfige Rumänische Familie, mit Golden Retriver und schwarzer Katze, die den Bus in Lima gekauft hat und
seit rund zwei Jahren umherreist – Sachen gibt’s. Wir schiessen noch ein Foto
und verabschieden uns mit den besten Reisewünschen.
Wie wir wieder in Uyuni zurück sind, ist es bereits dunkel.
Unser «Kleiner» steht noch unversehrt vor dem Büro des Touranbieters, so dass
wir gleich einsteigen und diesmal nur bis zum Platz vor der Kaserne fahren müssen.
Hier werden wir heute übernachten. Es parken bereits vier Wohnmobile hier. Zwei
Belgier, ein Franzose und Deutsches Paar mit einem Camper aus Chile.
Die deutschen kommen mit ihrem Hund gerade vom Spaziergang
zurück, sehen unser WOMO und sprechen uns an. Es sind Roman, Nicole und die
französische Bulldogge Abby. Wie es kalt wird, sitzen wir in unserem geheizten Raumwunder
zusammen und trinken noch einen Schlumi.
Nicole sieht die Sternenbilder und will unbedingt noch
Nachtaufnahmen machen, aber ihre Kamera lässt dies nicht zu. Roman und ich schauen
uns das Ding genauer an, irgendwie sollte dies doch möglich sein. Wir finden
tatsächlich eine neue Einstellung, die neue Möglichkeiten eröffnet. Vorerst
bleiben wir hier, aber mal sehen wie es weitergeht.